Barbara Mungenast

linear face, 2000
Acryl auf Leinwand
230 x 190 cm

Jenseits des Ikonologischen und am Rande der Geste –
Die Malerei von Barbara Mungenast
Martin Prinzhorn

Es gibt in der Malerei der Moderne immer Momente, in denen ein Inhalt durch einen anderen repräsentiert wird, ihn zu widersprechen und zu ergänzen scheint und so für uns deutlicher wird, er gleichsam eine metaphysische Wahrhaftigkeit erfährt. Bestes Beispiel hierfür ist Cézanne, der schließlich Landschaften als sein Selbst und als Geschichte seines Selbst malt. Oder auch Monets Darstellung von Natur, in der gleichzeitig unendliche und offene Weite und unbeschreibbare, verschlossene Tiefe repräsentiert sind. Von der Kritik sind diese Dissoziationen und widersprüchlichen Anordnungen immer in einem genealogischen Zusammenhang mit bildnerischer Abstraktion gesehen worden, da diese Strategien immer eine Distanz zu einem – vielleicht nur konstruierten – Realen schaffen, einem Ideal also, wie wir die Welt “vor der Kunst” erfahren. Michael Fried spricht von der formalen Verflachung bei Manet und von der Überbetonung von Figur und Grund bei Matisse als den zwei beginnenden Hauptsträngen der Abstraktion. Auch diese Prozesse müssen in einer – vielleicht wiederum nur konstruierten und idealisierten – Norm verankert sein, einer räumlichen Darstellung oder in natürlichen Verhältnissen zwischen Figur und Grund, von denen die Kunst abweicht. Wir brauchen solche konstruierten Normen, um Abstraktion erst einmal als Prozeß festmachen zu können, die Normen selbst aber können wir nie wirklich festmachen, was es auch unmöglich macht, einen Anfangs- oder Endpunkt der Abstraktion zu finden beziehungsweise die Repräsentation tatsächlich zu verlassen. Als Utopie ist dieses Verlassen aber treibende Kraft. Umgekehrt verweist diese Logik das Konzept der peinture pure in den Bereich der nostalgischen Phantasie und spielt ihrerseits als regressive Kraft die Rolle in den Bereich einer “reinen” Malerei “vor der Ikonologie” zu verweisen. Obwohl die Phantasien gegensätzlich zu sein scheinen – einmal das Bild jenseits jeglicher ikonographischer Repräsentation und einmal jenseits einer sprachlichen Annäherungsmöglichkeit sozusagen das autarke Kunstwerk repräsentierend – treffen sie sich in ihrer endlosen Unmöglichkeit.

Frank Stella hat einmal gesagt: I wanted to get the paint out of the can and onto the canvas …. I tried to keep the paint as good as it was in the can. Sein Freund Carl André ergänzt zu Stellas Malerei, dass diese nicht symbolisch sei, sondern dass seine Streifen die Pfade des Pinsels auf der Leinwand seien, die nur in die Malerei führen würden. In solchen minimalistischen Auffassungen treffen sich die Wünsche nach Abstraktion und peinture pure: Kunst schließt das Unnotwendige aus, Stella findet es zwar notwendig Streifen zu malen, aber das ist auch schon alles, was in seiner Malerei ist. Frank Stella is not interested in expression or sensitivity. He is interested in the necessities of painting. Symbols are counters passed among people. Frank Stella’s paintings are not symbolic. Andrés lakonisches Statement enthält in seiner Kürze und Prägnanz nur noch einen, deutlich festmachbaren Widerspruch. Es beginnt mit den Worten: Art excludes the unnecessary. Frank Stella has found it necessary to paint stripes. Die einzige Notwendigkeit, die nicht exkludiert wird, ist eine formale Entscheidung. Alle expressiven und sinnlichen Momente der Malerei sollen so ausgeschossen werden.

Die Entwicklung der letzten vierzig Jahre hat gezeigt, dass auch in diesen Fällen das Ausschließen eigentlich Verschiebung und Erweiterung bedeutet. Der Streifen ist eben auch Symbol und eine Geste muß nicht wild und aktionistisch, sondern kann auch minimal und kontrolliert sein. Eine Farbe ist in der Malerei nicht weniger als viele, Purheit und völllige Vermischung können sich bis zur Ununterscheidbarkeit annähern. Minimalismus ist, wie Joseph Kosuth schon sehr früh bemerkt hat, keinesfalls vor psychologischen Romantisierungen oder formalen Utopien sicher.
In der gegenwärtigen Malerei geht es darum jene klaren Linien, die von der Praxis der Moderne und von KunsthistorikerInnen und KritikerInnen vorgezogen wurden, zu brechen und neu auszurichten. Barbara Mungenasts Gemälde scheinen dies auf den ersten Blick nicht zu tun, sondern klassischen Mustern der Abstraktion zu folgen: Auf großformatigen Leinwänden finden sich sehr klare unvermischte Farbflecken, die irgendwo zwischen aktionistischer Gestik und Maschinenmalerei zu liegen zu scheinen. Ausfransungen und Löcher deuten auf spontane Schüttgesten hin. Solchen Attitüden wird aber im nächsten Moment widersprochen, da die Bilder nicht nur durch die Farbwahl, sondern auch durch ihre Materialität eine Kontrolliertheit ausstrahlen, die jegliche Zufälligkeit in Frage stelllt. Dieser Zufälligkeit scheint durch eine Fragmentierung widersprochen zu werden: Die einzelnen Farbschichten wirken oft nicht wie Teil einer gesamten Komposition, sondern scheinen sich als eigenständige Ebenen vom Rest des Bildes abzuheben und man denkt kurz an Stellas Entscheidung, das Tafelbild zu gunsten von dreidimensional angeordneten Farbplatten aufzugeben. Im Nächsten Moment aber wird auch dieser Eindruck gestört durch die Materialität des Akryls, durch den verwobenen Fluss, der kompositorische Zentren entstehen lässt. Die starke Konstrastierung und das Nicht-Vermischen der Farben erzeugen solide, fast mechanistisch montierte Farbflächen, diese sind jedoch in sich strukturiert und entwickeln ihre eigene Dreidimensionalität, was wiederum von Hand gemalte, gestische und intensionale Qualitäten anspricht. Eine emotionale Dimension kann jedoch genauso nicht entstehen oder zumindest nicht vollendet werden wie ein triumphaler Formalismus. Malerei gewinnt ihre Spannung oft dadurch, dass Erwartungen auf einer Ebene evoziert werden und ihnen dann auf einer anderen Ebene widersprochen wird. Üblicherweise geht es dann aber um Inhalt versus Form. Mungenast baut die Spannungen in ihren Bildern jedoch aus Widersprüchen innerhalb der formalen Ebene auf. Inhalte werden immer nur fast zu- gelassen, sei es durch eine unvollendbare Rorschachfigur oder durch eine scheinbare Geste, die dann doch wieder in der formalen Montage arretiert bleibt. Sie sind auch als Andeutungen nicht weiter verfolgbar und interpretierbar. Oft finden sich an den Rändern ihrer Bilder kleine Farbflecken in einer anderen Farbe, sodass man in Anspielung auf obiges Zitat sagen könnte: Sie hat es notwendig gefunden, in eine Komposition aus schwarzer, gelber, türkiser und weißer Fläche einen orangenen Farbfleck einzufügen. Dann steht das übrige Bild in seiner wuchtigen und komplexen Farbigkeit tatsächlich wie etwas schon Dagewesenes, in sich abgeschlossenes und über jeglicher Notwendigkeit Stehendes im Widerspruch zur künstlerischen Entscheidung. So wird Malerei als zielgerichtete Unternehmung, die in einer Form von reiner Abstraktion, reiner Gestik oder auch reiner Figuration enden soll, zu etwas Lächerlichem und zu einer Programmatik, die jederzeit und mit nur minimalen Eingriffen unterminiert werden kann. Die dahinterstehenden Probleme werden allerdings nicht lächerlich gemacht, nur die Konflikte und Widersprüchlichkeiten lassen oft einen klareren Blick zu als das ewige Filtern. Barbara Mungenast schafft in ihren Gemälden einen Spannungsreichen Diskurs, der es schon für die BetrachterInnen unmöglich macht, sich der Sache aus einem bestimmten Blickwinkel oder aus einer Tradition anzunähern. Malerei wird bei ihr zu einem offenen Spiel, dessen Ende sie in weite Ferne rückt, da sie lieber an den Verankerungen rührt, als sich an den Rändern zu reiben.

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