Kornel Janczy

Two countries, 2012
acrylic paint on canvas
80 x 119 cm

VERBRECHER UND DEKORATEURE I FELONS AND DECORATORS

Kornel Janczy  Min Yoon  Osama Zatar  Jonny  Marcin Zarzeka
curated by Goschka Gawlik

Vor mehr als hundert Jahren appellierte der bedeutendste österreichische Lebensstilerneuerer Adolf Loos in der Neuen Freien Presse an die Leser: „Jeder sei sein eigener Dekorateur.“ Können wir heute Loos’ Forderung wirklich erfüllen, nachdem die Moderne und ihre Erben mit ihren Verführungsstrategien uns gewisse Stil- und Lebensmodelle in Wohnkultur, Kulinarik und Kleidungsstil schussfest vorgeschrieben haben? Stimmen diese wirklich mit unseren Vorstellungen, wie man sich sein eigenes Leben einrichtet, überein? Was prägt unser generelles Verhältnis zu visuellen Gegenständen,mit denen wir uns tagtäglich umgeben? Sind es künstlerische Werte, das Gefühl des tradierten Stilvollen, der Sinn für Geschmack – oder eher Geschmacklosigkeit? Gibt es überhaupt noch Unterschiede zwischen Ländern und Kontinenten angesichts solch machtvoller Global Player wie Ikea und anderer Einrichtungsgiganten, die ubiquitär den Traum vermitteln, dass sich jeder ein Haus bauen und zeitgemäß einrichten kann? In den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts verkündete ein anderer erfolgreicher Lebensstilist – Andy Warhol – eine entgegengesetzte Botschaft, die da lautete, dass wir alle gleich denken und überhaupt alle gleich sein sollten. Die Leitfiguren der großen Mediadesign- und Kommunikationskonzerne wie z.B. Microsoft agierten identisch, indem sie uns versprachen, mit Hilfe Ihrer Programme alles im Leben schnell und einfach lösen und handhaben zu können. Sind wir dieser kosmetischen Utopie derartig verfallen, dass es jetzt zu spät ist und es aus dieser Falle keine Rettung mehr gibt?

„Verbrecher und Dekorateure“ präsentiert fünf künstlerische Positionen, vorwiegend jüngerer Generation, die jeweils unterschiedliche Bereiche unseres zwischen- menschlichen und institutionellenHabitus auf der Suche nach veränderten Paradigmen und einem Imagewandel innerhalb der globalisierten Verhältnisse erproben.

Kornel Janczy (geb. 1984 in Limanowa, Polen, Studium an der Akademie Schöner Künste in Krakau, derzeit lebt und arbeitet er in Wien). Mithilfe von Darstellungsformen aus Geographie und Kartographie entnommenen entwirft Janczy in seinen zeichenhaften Bildern mit imaginiertem und realem Blick universelle Narrationen über Staaten, Länder und Nationen – ganz nach der Maxime, dass für die „eigene“ Kunst kein machtfreier Raum von den Global Players dauerhaft frei zur Verfügung steht. Sein besonderes Interesse gilt den Relationen entlang der Mensch-Raum-Zeit-Achse. Janczy selbst meint dazu: „I erase borders between truth und fiction, between science and pseudo-science, between future and past. I search for absurdities, I magnify, exaggerate, simplify and deride.“

Min Yoon (geb. 1986 in Cheonan, Süd Korea. Studierte an der Konkuk University, Fine Art College in Seoul und der Akademie der Bildenden Künste in Wien, lebt und arbeitet in Wien.) Min Yoon erschafft und rekonstruiert Zusammenhänge zwischen kulturellen Praktiken und historischen Umständen und kreiert im Zuge dessen autonome abstrakte Muster und Folien, derer Träger zugleich seinen exquisiten Sinn für Humor bezeugen. In den neuen abstrakten Bildern stellt Yoon seine Anfänge der Ausbildungslehre zum Aquarellmaler nach. Durch das Mischen von readymade Farbprodukten auf der Leinwand übt er sich zugleich in Selbstkontrolle und Selbstdisziplin. Darüber hinaus entwirft Min Yoon Mikroszenarien, in denen er durch verschiedene Kombinationsspiele die asozialen Zwänge künstlerischer Arbeit zugunsten des Wohlbefindens des Publikums zu mildern versucht.

Osama Zatar (geb. 1980 in Ramaliah, Palästina. Studium der Tischlerei und Architektur- Zeichnung in Jerusalem und an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, lebt und arbeitet in Wien) thematisiert mit surrealen und allegorischen Mitteln politische und soziale Realitäten wie Grenzen, Genderregime oder Konfliktzonen. Seine hybrid oder auch martialisch anmutenden Skulpturen, die partiell aus (westlichen) readymades bestehen, erzählen von seinem akuten Bedürfnis, die Geschichte seiner Heimat alternativ zu schreiben, anders als sie momentan abläuft. Anhand trivialer Alltagsgegenstände wie beispielsweise einer Nähmaschine bezeugt er, dass es möglich ist das Trennende (Politik) in das Verbindende (Natur) zu transformieren. Oft setzt er das Schreckliche ein, um die Auflösung der (alten) Formen und die Zerstückelung der (alten) Inhalte in adäquate ästhetische Effekte umzuwandeln.

Jonny (geb. 1957 in Millstatt, Austria, studierte an der Hochschule für Angewandte Künste in Wien, lebt und arbeitet in Wien) verarbeitet dunkle, traumatische Seiten unserer Moderne. Mythen, Muster oder Modelle werden aus der Ebene der Ideologie in den Bereich der subjektiv gespeisten Fiktion verschoben. Was in eigenem Namen nicht sprechen darf, wird mithilfe der Sprache der Kunst gesprochen. Sprungweise umhüllt Jonnys Werke eine Aura des Geheimnisvollen. Gesellschaftliche Normen als Ausdruck des eigentümlichen Spiels mit dem Verschwiegenen werden wiederholt ornamental überspitzt. In diesem surrealen Kleid manifestiert sich transgenerative Traumatisierung

Marcin Zarzekas (geb. 1985 in Elblag, Polen, Studium an der Akademie der Schönen Künste in Wroclaw und in Wien, lebt und arbeitet in Wien) dreidimensionale, an sterilen Minimalismus erinnernde Werke hinterfragen unterschiedlichste kulturelle, in der Moderne entstandene Ordnungssysteme und Normprodukte. Die an eine ästhetische Aufmachung konkreter Alltagsobjekte angepasste Objektreihe – hier Flugpostkuverts – reflektiert außer seiner eigenen, migrantisch geprägten Identität die Geschichte der Post, die Passion eines Hobbysammlers und ökonomisch bestimmte Prozesse der Abstraktion. Durch die fragile Interferenz zwischen sichtbarer künstlerischer und unsichtbarer industrieller Produktionsweise, an der Schnittstelle zwischen Dokumentation und Fiktion, funktionellem Design und Feinheit der Kunst übersetzt Zarzeka mit seinen Post-Stamps Nicht-Kunst in Kunst.

More than one hundred years ago, the most eminent Austrian revolutionary of lifestyle, Adolf Loos, called upon the readers of the Austrian daily “Neue Freie Presse” (New Free Press): “Each be their own decorator”. Can we really meet Loos’s demand nowadays that Modernism and its heirs have – almost irrevocably – imposed upon us a certain style and life models in terms of living, food and clothes? Do these models actually correspond to our expectations of how to structure our life? What determines our general relationship to the visual objects we are surrounded by in everyday life? Artistic values, a sense of passed-down style, an inclination for taste and tastelessness? Are there any differences at all between countries and continents if we look at such powerful global players as Ikea and other furnishing giants that all over the world make us believe that everybody can build a house with modern furnishing? It was in the 1960s that another successful lifestylist – Andy Warhol – proclaimed a contrary message stating that we should all think and, actually, be alike. The leading figures of grad media design and communication multinationals such as Microsoft acted identically by promising us to solve and handle everything in life most easily and simply by way of their programmes. Have we fallen to this cosmetic utopia in a way that it has now become too late and there is no other way out of this trap?

“Felons and Decorators” presents five artistic positions, primarily those of a younger generation, each exploring different areas of our interpersonal and institutional habitus, and seeking modified paradigms as well as a change of image within globalized affairs.

Kornel Janczy (born 1984 in Limanowa, Poland; studied at the Academy of Fine Arts in Krakow, living and working in Vienna). Borrowing his forms of representation from geography and cartography, Janczy creates universal narrations about states, countries and nations in his emblematic pictures, using his imagined and real view – following the principle that the global players do not provide us with any space that is free of power for one’s “own” art. He is particularly interested in the relations alongside the human-space- time-axis. Janczy himself comments on it as follows: “I erase borders between truth und fiction, between science and pseudo-science, between future and past. I search for absurdities, I magnify, exaggerate, simplify and deride.”

Min Yoon (born 1986 in Cheonan, South Korea; studied at Konkuk University, Fine Art College in Seoul and Academy of Fine Arts in Vienna, living and working in Vienna). Min Yoon creates and reconstructs connections between cultural practice and historic circumstances thereby forming autonomous and abstract patterns and slides whose carriers bear proof of his exquisite sense of humour. In his new abstract pictures, Yoon re-enacts the origins of his formative years as a watercolorist. By mixing readymade colour products on the canvas, he also trains himself in self-control and self-discipline. Moreover, Min Yoon creates micro scenarios in which he tries to ease antisocial constraints of artistic works in favour of the audience’s well-being by using different combination games.

Osama Zatar (born 1980 in Ramaliah, Palestine Territories; studied carpentry and architectural drawing in Jerusalem and at Academy of Fine Arts in Vienna, living and working in Vienna) accentuates political and social realities such as borders, gender regimes or conflict zones with surreal and allegorical means. His hybrid or almost martial sculptures, which are partially formed from (Western) readymades, tell his urgent need to write an alternative history of his country, different to the actual one taking place. With trivial objects of everyday life such as a sewing machine he proves that the transformation from the differing (politics) to the uniting (nature) is possible. He often uses the horrible to convert the dissolution of the (old) form and the destruction of the (old) content into adequate aesthetic effects.

Jonny (born 1957 in Millstatt, Austria; studied at the University of Applied Arts, Vienna, living and working in Vienna) uses dark, traumatic sides of our modern world. Myths, patterns and schemes are shifted from a level of ideology to an area of subjectively supplied fiction. What cannot be said for its own sake, shall be said through the language of art. Jonny’s oeuvre is erratically enwrapped in an aura of the mysterious. He repeatedly and ornamentally takes social norms representing the peculiar game with secrecy to new extremes.

Marcin Zarzeka’s (born 1985 in Poland, studied at the Academy of Fine Arts in Wroclaw and Vienna, living and working in Vienna) three-dimensional works, forming almost a reminiscence of sterile minimalism challenge different cultural systems of order and normative products, all originating in our modern world. The object series adjusted to the aesthetic decorations of concrete objects of everyday life – in the case at hand air post envelopes – reflects, besides the artist’s own migration identity, the history of the post, the passion of a hobby collector and the processes of abstraction determined by economy. By highlighting the fragile interference between visible artistic and invisible industrial production processes, the crossroad between documentation and fiction, functional design and the subtlety of art, Zarzeka’s Post-Stamps translate non-art into art.

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