Die Ausstellung ist eine Kombination von Referenzen, die auf den ersten Blick durchaus Remakes westlicher Moderne sein könnten. Durch Zusatzinformation eröffnet sich jedoch, daß es sich um Nachbauten von titoistischer Kunst im öffentlichen Raum handelt, worauf auch schon der Titel verweist.
„Lulic, der als Kind der sogenannten ‘zweiten Generation’‚ in Österreich aufwuchs, beschäftigt sich rückblickend mit der kulturellen Geschichte seines Elternlandes, des früheren Jugoslawien. Seine Befragungen zirkulieren um die Funktion der Ästhetik im ehemals kommunistischen Vielvölkerstaat. Durch die engeren wirtschaftlichen Berührungen mit dem Westen, bedingt durch Tourismus und die Tendenz, ein politisches Alternativmodell zum Sowjetkommunismus durchzusetzen, wird in Jugoslawien ein Modernismus westlicher Spielart möglich. Funktionalismus in der Architektur, Abstraktion und Konkretion in Design und Kunst werden zuweilen sogar zum ‘ästhetischen Marschbefehl’‚ erhoben. Lulic erörtert die Ideologie dieser Produkte mit allem Respekt vor deren ästhetischen Leistungen, jedoch ohne Nostalgie.“ (Thomas Trummer, Katalog, Objekte. Skulptur nach 1945 in Österreich, Atelier Augarten, 2001)
„Lulics Geste ist das Ergebnis eines Abstraktionsprozesses, für den disparate Elemente regruppiert werden, um ein Modell zu formen: das Bild, die Ausstellung, der Künstler, das Publikum, und nicht zuletzt die Einladungskarte, die Brüche der Inszenierung, die durch den Schauplatz und das peinlich amateurhafte Foto des Künstlers vor dem ‘eigenen’‚ Werk hervorgerufen wurden, sie alle werden zu Zitaten in einem Text.“ (Markus Wailand, Marko Lulic, in: frieze, issue 51, March/April 2000, p.111)
Die Ausstellung zeigt mehrere “Kleinskulpturen“ und ein größeres Objekt, es handelt sich dabei um Interpretationen von Partisanendenkmälern. Allerdings sind die Oberflächen geglättet, die formalen Lösungen vereinfacht – so, daß es sich auch um westliche, minimalistische Kunst der 60er Jahre handeln könnte. Zwei Bilder aus einer neuen Serie bedienen sich bei jugoslawischen Designmotiven der 60er und 70er Jahre. Eines davon ist einem Foto entnommen, das Tito 1970 bei einer Rede vor dem Selbstverwaltungsrat zeigt. Hinter dem “großen Genossen“ prangt ein Bühnenaufbau, dessen Anordnung von roten Punkten auf weißem Grund sowohl damals als auch heute als westliches Design der 70er gelesen werden könnte. Die Arbeit „Sideboard, Modell Kill the Commies“ ist ein Nachbau – unter Verwendung „falschen“ Materials – eines klassischen, amerikanischen Designmöbelstücks der späten 50er Jahre, wie es oft in Direktionszimmern in der Nähe von Schalthebeln der Macht zu finden war. Gleichwertig mit den anderen Arbeiten in der Ausstellung hängt ein Plakat mit dem Titel “A Girl named Yugoslava“. Es zeigt die Hauptfigur, eben das Mädchen mit dem Namen Jugoslava, des serbischen Avantgardefilms „Frühe Werke“ von Zelimir Zilnik (1971) in einer collageartigen Komposition. Das Mädchen fährt mit ihren drei Freunden in einem 2CV durch serbische Dörfer – sie wollen die Bauernschaft politisieren, die Utopie erweist sich jedoch als in der Praxis nicht umsetzbar. Das Spiel mit
Verschiebungen vollzieht sich auf mehreren Ebenen: Schon die absurde formale
Übersetzung dieser megalomanischen Monumente in handliche Objekte und erst recht die ideologische Neubesetzung – 2001 in Österreich titoistische Kunst thematisieren – stellen die ursprünglichen „Denkmäler“ in einen völlig neuen Kontext, machen sie zu Arbeiten des Künstlers. Marko Lulic, der nie mit Witz und Ironie spart, hat in den letzten Jahren eine verfeinerte Art des künstlerischen Mittels Appropriation entwickelt, mit der er bestimmte Themen immer wieder aufgreift. Die Qualität seiner Ausstellungen verdeutlicht, daß Information und Inhalt für ihn eine gleichrangige Rolle spielen wie das Material, mit dem er die jeweilige Arbeit technisch umsetzt. Lulic wendet in „Organisiertes Dekor“ dieselbe Methodik an wie auch in der Arbeit für seinen Raum „Kalter Krieg“ im Rahmen der Ausstellung „Objekte. Skulptur nach 1945 in Österreich“, die am 15. Mai 2001 im Atelier Augarten eröffnet wird. Beide Ausstellungsarbeiten bilden eine Werkgruppe, in der es nur vordergründig um spezifisch jugoslawische Themen geht. Das eigentliche Interesse des Künstlers liegt in einer allgemeinen Modernekritik, sowohl in formaler Hinsicht als auch im Hinterfragen der ideologischen Konstellationen, die die Moderne zum Zwecke des Kalten Krieges instrumentalisierten.
„Nun könnte man darüber ins Grübeln kommen, inwieweit vor dem Hintergrund einer weltweiten Renaissance des Nationalen die durch Sex geeinte Arbeiterschaft und die tanzenden Kollektive in den Clubs Möglichkeitsformen einer anderen Internationale sind und Lulic weniger disparate Themen, sondern vielmehr dissidente Haltungen interessieren. Wie kann man überleben, unter den herrschenden verschärften Bedingungen, und wie kann man gegen die eigene Marginalisierung antreten. Lulic reflektiert den persönlichen, sozialen und politischen Ort, von dem er ausgeht. Er verzichtet – und das ist die besondere Feinheit der Arbeit – auf ratloses Hochkulturgeschwätz und konfrontiert die Ästhetik der Form mit der Ästhetik der Gesellschaft, in der wir leben. Irgendwie meißelt er am Verhältnis von Kunst zur Macht herum, womit die Kurve zum Thema Skulptur halbwegs geschafft wäre.“
(Brigitte Huck, Ceci n ́est pas une sculpture, Objekte. Skulptur nach 1945 in Österreich, Katalog, Atelier Augarten, 2001)