Marina Sulas Untersuchung von Dynamiken und Auswirkungen von Affekt und Wahrnehmung im Zeitalter technologisch vermittelter Erfahrungen und Kommunikation kreist in Soft Power um Narrative über Rituale und Liturgie.

In dieser örtlichen Installation wird eine Reihe an neuen abstrakten digitalen Zeichnungen, Fotografien und skulpturalen Environments durch den Austausch mit Interfaces und ihren Auswirkungen als Orte der greifbaren Intimität, des persönlichen Wohlbefindens und der Meditation erschlossen und dargestellt, um Interaktionen des Körpers mit der digitalen Umgebung als eine Art Ikonographie der zeitgenössischen Subjektivität zu inszenieren.

Mit den Fingerspitzen der Künstlerin auf dem mobilen Endgerät verewigt und in abstrakten Zeichnungen wiedergegeben zeigen die schwarz gepixelten Linien und Striche von Untitled – Phone, Untitled – Table, Untitled – Home und Untitled – Phone II (2016) unterschiedliche, rhythmische und expressive Muster, die möglicherweise Resonanzen auf Agnes Martins sehr bekannte Praktiken auf dem Weg zur erhabenen, spirituellen Transzendenz sind und dabei das Gitter als Form für das Gegenstandsloseste – den Affekt – nutzen. Konzipiert in alltäglichen Situationen im öffentlichen Raum wie z.B. beim U-Bahn-Fahren zeigen sich diese sich wiederholenden Gesten, die als Navigator für das Interface zwischen dem Körper und den unendlichen Informationsströmen in Sulas Arbeit fungieren, ohne jegliche persönliche Attribute und präsentieren sich als der rigide beschränkte Akt selbst. Sie tragen vielleicht dem Faktum Rechnung, dass die Werte Sprache und Kommunikation in der digitalen Wirtschaft als reine Tauschwerte als schwankende durch den Körper gefilterte Daten abstrahiert werden. Mit einem Lineal werden gerade Linien bei der intuitiven und automatisierten Konzeption der geswipten Zeichnungen eingefügt, die Abweichungen zwischen der Kontrolle, der Handlungsmacht und dem Zwang in einem gegenwärtigen Zustand fingierter Mikrowelten des Affekts nur noch verstärken – wenn jeder die gleichen Handlungen zunehmend abgekoppelt von der Kollektivität tätigt – wobei Zweifel und Unsicherheiten nur durch die ständige Neu-Verbindung mit sofortigen Feedback-Zyklen, die diesen Synchronisationsmustern zu Grunde liegen, gemeistert werden können.

Im direkten Dialog mit digital produzierten Zeichnungen und gepaart mit Diptychons zeigen Nahaufnahmen der Portraits der Künstlerin mythisch inszenierte Abläufe in Bezug auf das Reinigen, Waschen und Trocknen der Haut mit Olivenölseife und weichen, weißen Handtüchern in intimen Momenten der Selbstfürsorge. Die Ambiguität und das Unbehagen, die bei der Betrachtung aufkommen – zu nah, als ob man ihre Haut berühren und gleichzeitig das Ganze aus der Ferne betrachten oder sogar angaffen könnte – werden durch die augenscheinliche Performativität der Szenen, in denen die Künstlerin ihre Bewegungen sorgfältig inszenierte, als ob sie sich schon selbst mit den Augen eines anderen sehen würde – intensiviert. Mit dem gleichzeitigen Einsatz von Strategien aus den Bereichen Werbung, Social-Media-Performance und liebevoller Nähe lösen diese Narrative der ritualisierten Wellness Unterschiede zwischen dem Äußeren und dem Inneren, der Privatsphäre und der Entblößung auf. An eine perspektivische Darstellung von Praktiken an den Glauben der absoluten Konnektivität und Selbst-Optimierung erinnernd wendet sich Soft Power 1–4 (2016) immer unangenehmer dem zunehmenden Verlangen und dem Druck ein positives Bild der persönlichen Produktivität und Gesundheit zu vermitteln, zu, in der Hoffnung, dass wir uns für den Blick des anderen, der in der digitalen Wirtschaft zugleich opak, unberechenbar und zu präsent ist, sichtbar machen.

Diese photographische Serie ruft den Wunsch nach dem Empfinden und der Berührung der realistischen Heftigkeit hervor und zeigt gleichermaßen die Haut als Oberfläche und Interface zwischen der inneren und der äußeren Welt, die bearbeitet und adaptiert werden muss und aus diesem Grund einen Widerhall bei den kalten plastischen Figuren aus Metall, in denen sich orange-rote Tinkturen in aufgestellten, den Raum bevölkernden Glasbehältern befinden, erzeugt. Das Gebräu der ewigen Jugend hergestellt aus unterschiedlichen Zutaten wie z.B. Hagebuttenöl verspricht ein makelloses Erscheinungsbild, das die Zeichen der Zeit und die Grenzen der Materialien, der körperlichen Trägheit und Starrköpfigkeit überwindet. Teilweise an Laboraufbauten erinnernd und teilweise mit einer mythologischen Komponente versprühen die Metallwesen von Forever Young (2016) den Drang nach Produktivität und Effizienz, die den Zeichen der Erschöpfung trotzen. Da die Trennung zwischen Tag und Nacht, Erholung und Arbeit aufgrund von Veränderungen beim Zeitempfinden bedingt durch unablässig arbeitende digitale Netzwerke zunehmend verschwindet, wird in Soft Power die Nähe zwischen elektronischen und organischen Oberflächen und damit die allgemeine Widmung des menschlichen Lebens für eine Dauer ohne Pausen, die durch das Prinzip des ständigen Funktionierens bestimmt wird, beantwortet.

Unter der Poetik der Ästhetik präsentiert Sula in dieser Ausstellung die Brutalität, Spannung und Verletzlichkeit, die bei der Adaption des weichen Gewebes des Subjekts an die Anforderungen des unendlichen Feedback-Zyklus entstehen, wenn Körper und Geist zu Terminals der Information und Wellness-Rituale mit der Präzision eines Kultes als Praktiken des Glaubens an individualisierte und konsumierbare Selbstliebe und Affekt ausgeführt werden.

Franziska Sophie Wildförster

Marina Sula’s inquiry to explore dynamics of and impacts on affect and sense in the age of technologically mediated experiences and communication, in Soft Power, evolves around narratives of rituals and liturgy. In this spatial installation, a new series of abstract digital drawings, photographs and sculptural environment index and depict exchanges with interfaces and their effects as locus of tangible intimacy, personal well-being and meditation to stage interactions of the body with its digital environments as what could be understood as an iconography of contemporary subjectivity.

Made with the fingertips of the artist’s hand onto her mobile device and translated into abstract drawings, the black pixeled lines and stripes of Untitled – Phone, Untitled – Table, Untitled – Home and Untitled – Phone II (2016) manifest various rhythmic expressive patterns that may trigger resonances to Agnes Martin’s well-known practices in the path to the sublime and spiritual transcendence deploying the grid as form for the most nonrepresentational – affect. Conceived in everyday public situations such as riding on the subway, these repetitive gestures that navigate the interface between body and infinite streams of information, in Sula’s works, are deprived of any personal attributes and presented as the rigidly limited act itself – possibly answering to the fact that use value of language and communication in digital economy is abstracted to mere exchange value as fluctuating data filtered through the body. Using a ruler to insert manual straight lines into the intuitive and automatized conception of the swiped drawings only amplifies slippages between control, agency and compulsion in a contemporary condition of fabricated micro-worlds of affect – when everyone is doing the same in increasing separation from collectivity – in which doubt and insecurity is overcome only through continuous re-connection to instant feedback cycles underlying these patterns of synchronization.

In direct dialogue with the digitally produced drawings, and paired like dyptichons, close-ups of portraits of the artist show mythically staged procedures of cleansing, washing, and drying skin with olive oil soap and soft white towels in intimate moments of self-care. An ambiguity and discomfort of the viewing relationship – too close, as if one could touch her skin, and simultaneously distantly observing or even voyeuring – is intensified by the apparent performativity of the scenes, in which the artist carefully orchestrated her movements as if already seeing herself through the eyes of somebody else. Simultaneously employing strategies of advertising, social media performance and affectionate proximity, these narratives of ritualized wellness dissolve differentiations between an inside and outside, privacy and exposure. Resembling a scenography of practices of faith in absolute connectivity and self-optimization, Soft Power 1–4 (2016) uncomfortably adhere a growing desire and pressure to present a positive image of personal productivity and health, in hope of making ourselves visible to a gaze of the Other who, in digital economy, is both opaque and unpredictable and overly present.

Triggering a desire to feel and touch the realistic sharpness, this photographic series likewise designates skin as a surface and interface between inside and outside world that needs to be worked and adapted, thus resonating with the cold-metal sculptural figures holding orange-red tincture in mounted glass-vessels that occupy the space. A brew of eternal youth made from various ingredients, such as rose hip oil, this liquid holds the promise of lawless appearance that transgresses signs of time and limits of material, corporal slowness and obstinacy. Partly resembling a laboratory set up, partly of mythologic presence, the metal beings of Forever Young (2016) emanate a desire for productivity and efficiency, that defy marks of exhaustion. With divisions between night and day, between rest and work, disappearing due to mutations in the experience of time produced by unceasing digital networks, in Soft Power, the proximity between electronic and organic surfaces answers a generalized inscription of human life into duration without breaks, defined by a principle of continuous functioning.

Underneath the poetics of its aesthetics, Sula in this exhibition presents the brutality, frictions and vulnerability occurring in the adaptation of the subject’s soft tissue to demands of the infinite feedback loop, as the body and mind become terminals of information and rituals of wellbeing are followed with the precision of a cult as practices of faith in individualised and consumable self-love and affect.

Franziska Sophie Wildförster

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